geschrieben von Martha Schönert
Vor einem Jahr ging Milo auf seine letzte Reise. Ins Jenseits, zu den anderen lieben Seelen, die dort darauf warten, dass wir nach Hause kommen. Wir durften 22 Monate Milos Eltern sein. Für diese Zeit, war sie manchmal auch noch so schwer, sind wir sehr sehr dankbar.
Schon in der Schwangerschaft wussten wir, dass unser Schatz einen Hydrocephalus entwickelt. Wir wussten aber nicht, wo die Reise hingehen wird und wir freuten uns auf unser Kind. Hatten stets Hoffnung, dass Milo gesund ist und haben immer, bis zum Ende, optimistisch in die Zukunft geschaut.
Vier Wochen zu früh, am 07.09.2021 kam Milo per Kaiserschnitt auf die Welt. Es folgte eine lange Odyssee auf der Neo-Intensiv. Nicht nur für ihn, sondern auch für uns intensiv.
Milo hatte doch mehr Beeinträchtigungen als vermutet. Er hatte einen Herzfehler, nur eine Niere, eine Magenzyste, konnte kaum schlucken, wurde deshalb über die Magensonde ernährt und war dazu auch noch fast blind. Sein Gehirn konnte sich, aufgrund des vielen Hirnwassers, nicht richtig entwickeln. Dadurch war seine Muskulatur sehr hypoton.
Nach 5 Wochen mit drei schweren Operationen, die Milo ganz tapfer gemeistert hat, konnten wir endlich nach Hause gehen und wir holten alle Kuscheleinheiten nach. Er entwickelte sich sehr langsam, konnte sich nur nonverbal bemerkbar machen, aber wir waren über seine kleinen Erfolge stolz.
Die Humangenetik fand derweil heraus, dass Milo die Genmutation PPP2R1A hat und wir dachten, dass wir damit alleine sind. Wir erfuhren erst ein Jahr später von den anderen PPP-Familien.
Dann erlitt er am 18. März 2022, mit 6 Monaten, seinen ersten Rückschlag. Schlaganfall mit Atemstillstand. Wir haben Milo reanimiert und konnten ihm dadurch das Leben retten. Es folgte wieder ein langer Krankenhausaufenthalt, denn ab da wurde Milos Epilepsie diagnostiziert und seine Apnoen (Atemaussetzer) wurden immer häufiger. Von da an wurde Milo über einen Monitor überwacht.
Er erholte sich nur langsam und durch die häufigen, heftigen Krampfanfälle verlor er immer mehr Ressourcen, bis er sich so gut wie gar nicht mehr bewegen konnte.
Wir gaben ihm unsere ganze Liebe. Sie hat uns allen Kraft gegeben, denn Liebe macht alles möglich.
Im Juni 2022 hatte Milo seine erste Lungenentzündung und war wieder lange im Krankenhaus. Er benötigte seitdem stetig Sauerstoff.
Wir ließen uns trotzdem nicht unterkriegen und fuhren mit ihm, unserem Wohnmobil und 10 Sauerstoffflaschen, an die Ostsee. Damit Milo einmal den Sand unter den Füßen und das warme Meer spüren darf.
Wir erfuhren zu der Zeit, ganz überraschend, dass Milo großer Bruder wird. Erst später wurde uns klar, dass Milo uns seine kleine Schwester geschickt haben muss. Damit wir nicht so traurig sein werden und stets die Hoffnung bleibt.
Im Oktober 2022 folgte die zweite Lungenentzündung, mit 6 wöchigem Krankenhausaufenthalt und die Diagnose: Therapieresistente Epilepsie. Fünf Antiepileptika und keines half.
Die Lungenentzündung überlebte Milo knapp. Und wir versprachen ihm, dass er nie wieder ins Krankenhaus gehen muss. Er soll Zuhause bleiben und seine letzte Zeit mit uns genießen. Denn tief im Inneren wussten wir, was keiner aussprach. Unser Milo wird nicht lange leben dürfen.
Im Januar 2023 dann die Bestätigung des Professors. Das EEG zeigt kaum noch Hirnaktivität. Es schaltet sich langsam aber sicher ab.
Von da an holten wir das Kinderpalliativteam „Die kleinen Riesen Nordhessen“ ins Boot. Es gab in dem letzten halben Jahr viele Höhen und Tiefen. Wir hatten so oft Angst und zweifelten, ob wir alles richtig machen. Haben stets auf unsere Intuition vertraut und Rückhalt des Palliativteams erfahren. Diese 6 Monate waren noch einmal sehr intensiv. Wir haben dennoch nicht geglaubt, dass unsere Zeit so schnell verrinnt.
Ende Juni 2023 ging es Milo viel schlechter, er hatte wieder eine Lungenentzündung und diesmal, so ahnten wir, würde er keine Kraft mehr haben um zu überleben. Wir taten das beste, um sein Leid zu lindern, um ihm Freude und Liebe zu geben.
Seine kleine Schwester war mittlerweile geboren und schon 4 Monate bei uns. Er kuschelte täglich mit ihr und sie schenkte ihm Kraft.
Wir erschufen so viele Erinnerungen, wie nur möglich. Fotos, Hand – und Fußabdrücke. Kostbare, gemeinsame Zeit.
An einem heißen Samstag, es war der 08.07.2023, fühlten wir, dass es passieren würde. Wir lagen den ganzen Tag bei Milo, hielten seine Hand, hielten ihn im Arm, sangen ihm Lieder vor, zündeten Kerzen an, Freunde und Familie kamen zum letzten Mal vorbei. Wir weinten gemeinsam und nahmen Abschied.
Also die Sonne unterging, wir alleine waren und es friedlich und ruhig um uns herum wurde, atmete Milo das letzte Mal aus. Er war so friedlich und lächelte leicht dabei. Wir spürten seine Präsenz sehr und er schickte uns viele, unglaubliche Zeichen.
Wir sind so dankbar, dass Milo uns auf seine Reise mitnahm und uns zeigte was wahrhaftige und bedingungslose Liebe ist.
Milo, du bleibst immer unvergessen und unser Held!
In Ewiger Erinnerung
dein Papa Merlin, deine Mama Martha und deine kleine Emmi
PS: Um auf Milos Geschichte aufmerksam zu machen und ihn noch einmal um die Welt zu schicken, haben wir die Aktion „Milosteine“ ins Leben gerufen und schon viele Steine abgelegt. Zu sehen bei Instagram unter #milosletztereise
Kommentare deaktiviert